Erklärung von Lampedusa in Hanau

Erklärung von Lampedusa in Hanau

Wir flohen vor einer Diktatur mit Zwangsrekrutierung und politischer Unterdrückung in Eritrea und vor einem 23 Jahre andauernden Bürgerkrieg mit Zwangsrekrutierung und Vergewaltigung von Frauen in Somalia.

Wir überlebten die Durchquerung der Wüste mit wenig Essen und zu wenig Wasser, wir wurden konfrontiert mit Entführungen um unseren Angehörigen Geld abzupressen und bedroht damit unsere Körper zu missbrauchen für den Handel mit unseren Organen. Angekommen in Libyen erlebten wir rassistische Angriffe auf der Strasse und systematische Haft, manchmal für Jahre. Als wir das Mittelmeer überwanden mussten wir erneut unser Leben auf überfüllten Booten riskieren. Manche von uns haben Schiffsunglücke erlebt und den Tod von Angehörigen und FreundInnen auf dem Meer, bevor wir an den Küsten von Lampedusa, Sizilien oder Malta ankamen.

Die meisten von uns wurden gezwungen Fingerabdrücke in Italien oder Malta abzugeben, obwohl wir niemals vorhatten dort zu bleiben. Manchen von uns versuchten in Italien zu leben, doch es war und ist unmöglich in Zeiten der Wirtschaftskrise ein sicheres Leben dort aufzubauen. In Malta sind wir konfrontiert mit Haft oder aus jedem Sozialsystem ausgeschlossen. In Italien durchlebten wir überfüllte Lager in unmenschlichen Bedingungen und internen Kämpfen. Wir erlebten Obdachlosigkeit, rassistische Gewalt und sexualsisierte Übergriffe auf der Straße, wir waren ohne jedes Einkommen, manchmal einmal täglich Essen durch die Caritas und ohne medizinische Versorgung.

Vor diesem Hintergrund flohen wir nach Deutschland um Asyl und Schutz zu suchen. Doch hier erleben wir erneut Unsicherheit und die Drohung mit Abschiebungen zurück nach Italien und Malta. Deutsche Behörden verweigern uns den Zugang zu einem fairen Asylverfahren.

Zu aller erst fordern wir nicht nach Italien oder Malta abgeschoben zu werden.

Wir brauchen Zugang zu einem fairen Asylverfahren.

Wir leben jetzt in Hanau, Maintal, Bruchköbel, Freigericht.

Wir wissen, dass viele unserer FreundInnen und Angehörigen von Hamburg bis Frankfurt in einer ähnlichen Situation sind. Wir wissen dass es viele gibt, die Probleme nicht nur mit Fingerabdrücken in Italien oder Malta haben, sondern auch in Ungarn oder der Slowakei und dort nicht überleben können. Wir wissen, dass viele die nach Schweden oder Norwegen gehen wollten, wo sie Angehörige haben auf dem Weg in Deutschland gestoppt wurden. Das Dublin-System kann uns nicht den Schutz und die Sicherheit garantieren, die wir dringend brauchen. Es hindert uns am Aufbau einer Zukunft nach all diesem Leid, das wir erleben mussten. Wir sind in Solidarität gegen die Abschiebungen und den Ausschluss und für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen in Deutschland und Europa.

Wir brauchen die Freiheit den Ort zu wählen, an dem wir bleiben werden.

Wir sagen: löscht unsere Fingerabdrücke aus der europäischen Datenbank, denn diese Fingerabdrücke sind wie ein Gefängnis für uns. Nein zu den Fingerabdrücken, nein zu Dublin II und III.

Wir sind hier um zu bleiben!